Protest gegen Gen-Mais-Anbau am Oberrhein
Besonders baden-württembergische Landesbehörden machen sich unbeliebt

Zum ersten Mal sind Anfang des Jahres 2006 in der Region Karlsruhe Vorhaben bekannt geworden, gentechnisch veränderte Pflanzen im Freiland wachsen zu lassen. Die Pläne für den Anbau von Gen-Mais in Rheinstetten, Kraichtal-Münzesheim und Linkenheim-Hochstetten waren im Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angemeldet. Der so genannte Bt-Mais der Linie MON810, dem ein Insektengift zur Abwehr des schädigenden Maiszünslers, eines Schmetterlings, eingebaut ist, kann seit 2005 in der EU großflächig ausgesät werden. Schon vorher gab es auch am Oberrhein einen "Erprobungsanbau" von Gen-Mais, die Flächen wurden aber geheim gehalten. Inzwischen ist bekannt, dass Gen-Mais der Linien MON810, Bt176 und T25 in den Jahren 1998 bis 2001 in Lichtenau vom Unternehmen Südwestdeutsche Saatzucht und in den Jahren 1999 und 2004 in Kraichtal-Menzingen im Auftrag des Landes Baden-Württemberg angebaut wurde. Mit dem Gentechnik-Gesetz der letzten Bundesregierung wurde 2005 die Anmeldung solcher Vorhaben im Standortregister mindestens drei Monate vor der Aussaat zur Pflicht, und im Internet sind die Flächenangaben öffentlich einsehbar.

Die große Mehrheit der Menschen will die Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln aus guten Gründen nicht. Dies wurde auf die Nachricht von den Gen-Mais-Plänen hin sofort wieder deutlich. Landwirte und Landwirtinnen mit Öko-Anbau und mit konventioneller Wirtschaftsweise taten sich gegen die Anbauvorhaben zusammen, viele weitere Bürgerinnen und Bürger bekundeten ihre Ablehnung, Umweltverbände und kirchliche Gruppen protestierten, und Gemeindeverwaltungen mit den Bürgermeistern voran wehrten sich. Neben Presse und Radio berichteten darüber auch das Südwest-Fernsehen und das ZDF.

Das Besondere an den Vorhaben war: Kein privater landwirtschaftlicher Betrieb wünschte die Gentechnik auf seinen Feldern, stattdessen waren es staatliche Stellen, die den Gen-Pflanzen zum Durchbruch verhelfen wollten. Verantwortlich ist vor allem die Landesregierung von Baden-Württemberg, die nach eigenen Angaben vorläufig den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht empfiehlt und dem Schutz der Öko-Betriebe und der konventionellen Landwirtschaft ohne Gentechnik absoluten Vorrang einräumt, aber mit den Gen-Mais-Projekten ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt hat.

In Rheinstetten hat die Landesanstalt für Pflanzenbau Forchheim Gen-Mais angebaut, und zwar im Rahmen eines Bundesprogramms, mit dem die Ausbreitung des Mais-Pollens und damit Auswirkungen auf Nachbarfelder untersucht werden sollen. Solche Untersuchungen zum Mais liegen allerdings schon seit Jahrzehnten vor. Es ist nicht erforderlich, vielmehr gefährlich, sie mit Gen-Pollen zu wiederholen. Die ersten Ergebnisse dieser Versuche haben nicht widerlegt, dass der Pollen sich unkontrolliert ausbreiten kann.

Für das Vorhaben in Kraichtal-Münzesheim ebenso wie für ein weiteres in Ladenburg bei Heidelberg erklärte sich die Staatliche Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Augustenberg in Karlsruhe (jetzt Landwirtschaftliches Technologiezentrum) gemeinsam mit dem Landwirtschaftsamt des Landkreises zuständig. Dort geht es um Sortenversuche, mit denen das Land die Leistung neuer Pflanzen testet. Der Versuch mit Gen-Mais in Kraichtal wurde wegen des Widerstands der Bevölkerung rechtzeitig vor der Aussaat wieder aufgegeben. Die Landesregierung verlegte ihn auf das Versuchsfeld in Rheinstetten.

Ein Wissenschaftler der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe hat für einen weiteren Gen-Mais-Versuch auf seinem privaten Grundstück in Linkenheim zwar nur 4 Quadratmeter angemeldet, und die Blütenknospen sollten abgeschnitten werden; aber auch dieses Experiment zu Wirkungen auf Bodenorganismen passte nicht in die Landschaft und diskreditierte die staatlichen Forschungseinrichtungen.

Auch die Anmeldung für einen privaten Anbau von Gen-Mais in Lichtenau-Scherzheim ist wieder zurück gezogen worden.

Die Ende April 2006 vorgenommene Aussaat von Gen-Mais richtete sich gegen die Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein, die im Frühjahr 2005 ausgerufen worden ist und mit der Unterstützung von inzwischen mehr als 1.300 Menschen, Organisationen und Unternehmen den Widerstand der Bevölkerung gegen die Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln dokumentiert. Die Beteiligten dieses Bündnisses wissen, dass die Risiken der Gentechnik für Menschen und Ökosysteme unabsehbar sind. Zugleich ist der Gen-Mais in der Region wegen der Gefahr der Verunreinigung angrenzender Flächen ein Angriff auf die Bemühungen der großen Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe im oberrheinischen Mais-Saatguterzeugungsgebiet, ihren Anbau gentechnikfrei zu halten und damit Marktchancen zu sichern.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Regionalverband Mittlerer Oberrhein, nannte die gentechnischen Vorhaben riskant und unnötig. Für Umweltbewusste ist klar: Es gibt keine Freiheit mehr, sich für Lebensmittel ohne Gentechnik zu entscheiden, wenn sich Verunreinigungen durch genveränderte Pflanzen in der Landwirtschaft ausbreiten können. Ebenso gefährden die Gentechnik-Anbauvorhaben die Freiheit, ohne Gentechnik anzubauen und damit hohe Qualität anzubieten. Sie sind im Interesse der Gentechnik-Konzerne, nicht der heimischen Landwirtschaft. Das vom Bt-Mais ständig produzierte Schädlingsgift tötet auch viele nützliche Insekten. Und die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind unbekannt.

Inzwischen hat in Rheinstetten, Malsch, Waghäusel, Bühl, Pfinztal, Karlsruhe und Ettlingen der Gemeinderat beschlossen, auf Gemeindeland keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen zu lassen und dem Aktionsbündnis Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein beizutreten. Entsprechende Entscheidungen sind auch in Weingarten, Waldbronn, Karlsbad, Kraichtal, Rastatt, Oberhausen-Rheinhausen und Lichtenau gefallen. Weitere Städte und Gemeinden beraten.

Matthias Kunstmann, BUND

Die Ereignisse - was bisher geschah

Gen-Mais-Anbau Rheinstetten-Forchheim - Lageplan

Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein

Die Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein wird gefördert durch die

Die Koordination der Gentechnikfreien Region hat vorläufig der BUND Mittlerer Oberrhein übernommen