Gentechnologie - Risiko für Gesundheit und Umwelt

Gentechnik war zeitweise mehr in der Medizin ein Thema als bei den Lebensmitteln. In der Medizin kann mit mehr Zustimmung gerechnet werden. Von der medizinischen Forschung und Machbarkeit aus werden inzwischen unsere Jahrhunderte alten Vorstellungen von dem, was ein Mensch ist, von der Menschenwürde und von der Ethik in Frage gestellt. Entschlüsselung des Genoms, pränatale Diagnostik zum Erkennen möglicher Erbschäden, Präimplantationsdiagnostik nach künstlicher Befruchtung, Gentherapie auch in der Keimbahn, also zur Vererbung von Eigenschaften, Klonen, Organzüchtung aus Embryonen-Stammzellen, Xenotransplantation von genveränderten Tierorganen auf Menschen, Mischwesen aus Mensch und Tier, so genannte Chimären, das sind die Vorhaben, mit denen Hoffnungen auf Gesundheit und Glück gemacht werden. Im Einzelfall können diese Entwicklungen berechtigt sein, aber es ist nicht zu übersehen, dass es viele Fachleute einfach reizt, mit den Genen zu spielen und zu experimentieren, und dass es für die Pharma-Unternehmen ein gigantisches Geschäft ist, zumal die Regierungen sich mit Subventionen gegenseitig überbieten. Wegen der BSE-Krise wurde bei der Agrar-Gentechnik etwas gebremst, hauptsächlich die anderen Gentech-Bereiche wurden von der Bundesregierung mit Milliarden gefördert. Die Industrie erwartet, dass aufgrund medizinischer Fortschritte in nächster Zeit die Gentechnik in Lebensmitteln als selbstverständlich hingenommen wird.

Darum soll es hier vor allem gehen.

Die Gefahr besteht, dass vage Gesundheitsversprechen der so genannten roten Gentechnik (in der Medizin) mit massiven Gesundheitsschäden vor allem durch die so genannte grüne Gentechnik (in der Lebensmittelerzeugung) erkauft werden. Dahinter stehen zum großen Teil dieselben Chemiekonzerne mit einer Pharma-Sparte und einer Agro-Sparte. Weiter sind es die vielen kleinen Labors, die oft als Subunternehmen tätig sind, und die sich schon in fast jedem Gewerbegebiet finden. Sicherheitsbestimmungen und Kontrolle sind lau, auf den verschiedensten Wegen können gentechnische veränderte Organismen ungewollt in die Umwelt gelangen, mit völlig unabsehbaren Folgen. An den staatlichen Forschungsinstituten gibt es so skurrile Projekte wie an der Universität Karlsruhe die gentechnische Optimierung von Karotten, weil deren natürliche krebshemmende Bestandteile den Forschern nicht genügen.

Um das Risiko der Gentechnik auf einen Punkt zu bringen: Die Spaltung des Zellkerns ist um eine Dimension gefährlicher als die Spaltung des Atomkerns, denn genmanipulierte Organismen können sich selbst vermehren. Sie können biologische und ökologische Systeme verändern. Schon ein natürliches Virus hat eine interessante Art der Ausbreitung, indem es andere Lebewesen als Wirtsorganismen benutzt; für gentechnisch veränderte Viren, die in Forschung und Entwicklung verwendet werden, gilt das besonders. Verschiedene rätselhafte Krankheiten, wie die zunehmenden Allergien, sind bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit auf menschengemachte Schadstoffe zurück zu führen. Aber die Zusammenhänge sind so komplex, dass nur höchst selten jemand konkret als Verursacher oder Verursacherin bestimmter Folgen verantwortlich gemacht werden kann. Das verführt die Täter zur Skrupellosigkeit. Umso mehr müssen sich die potentiell Betroffenen, das sind die meisten, für Vorsorge einsetzen. Blindes Fehlverhalten, wie es z.B. zu BSE und Creutzfeld-Jacob führte, darf sich nicht mit der Gentechnik wiederholen.

Wir müssen feststellen: Wir nehmen alle längst in geringen Mengen gentechnische Substanzen mit der Nahrung auf und in größeren Mengen Stoffe, die mit Hilfe von Gentechnik hergestellt wurden. Es wird uns von den Herstellern nicht gesagt, weil sie zur Kennzeichnung nicht verpflichtet sind. Unabsichtliche gentechnische Verunreinigungen müssen bis zu einem Anteil von 0,9 % an der jeweiligen Lebensmittelzutat nicht gekennzeichnet werden. Allergieanfällige wissen, dass es für Wirkungen nicht auf die große Menge ankommen muss (wer etwas von Homöopathie hält, weiß es auch). Weiterhin haben wir im Essen ohne Hinweis Zusatzstoffe, die mit genveränderten Organismen hergestellt wurden, soweit diese sich darin nicht mehr nachweisen lassen. Tierfutter aus Genpflanzen, die dafür auch in Deutschland massenhaft verwendet werden, z.B. Mais und Soja, hat nicht zur Folge, dass Fleisch, Milch und Eier gekennzeichnet werden müssten.

Nach Auskunft der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe sind 60 bis 70 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel im Lauf des Produktionsprozesses in irgendeiner Weise mit Gentechnik in Berührung gekommen. In den Jahren 2000 und 2001 hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelüberwachung in jedem zehnten mais- und sojahaltigen Lebensmittel Bestandteile gentechnisch veränderter Pflanzen nachweisen können; in einigen Fällen lag der GVO-Anteil über 1 %. Keines der Produkte war gekennzeichnet. Gentechnische Enzyme finden sich auch in Waschmitteln, Reste gelangen über die Wäsche auf die Haut - Waschmittel werden sowieso inzwischen als wichtige Allergie-Ursache angesehen. Auch wer sich rein öko ernährt, kann unabsichtlichen Gen-Verunreinigungen ebenso wenig ausweichen wie sonstigen Umweltschadstoffen. Die Gentech-Landwirtschaft nimmt keine Rücksicht auf Pollenflug und Auskreuzungen.

Bekannt geworden ist der Fall des Nürtinger Öko-Bauern Gerhard Klauß. Er wollte wegen Gentech-Rüben-Anbau der Fachhochschule in der Nachbarschaft - ein Versuch im Auftrag der Firma AgrEvo - vor Gericht die Kontrollkosten für seine Äcker einklagen und hat verloren. Im Urteil wurde die Gefahr als unerheblich betrachtet, solange kein Schaden eingetreten ist.

Dass Gentech-Pflanzen auf dem Acker nicht unter sich bleiben, ist klar. Im Kaiserstuhl bei Freiburg hat eine Untersuchung im Auftrag von Greenpeace 1998 erstmals ergeben, dass gentechnisch veränderte Maissaat durch Pollenflug auf benachbarte Felder übertragen wurde und dort die Ernte verunreinigt hat. Noch im Abstand von 10 Metern war bei dem dort angepflanzten herkömmlichen Mais ein Nachweis der gentechnischen Manipulation möglich. Der Pollen fliegt allerdings auch wesentlich weiter.

Damals wurde mit einer Sondergenehmigung zum ersten Mal in Deutschland eine gentechnisch veränderte Pflanze kommerziell angebaut. Es war der BT-Mais der Schweizer Pharmafirma Novartis, der mit einem Gen des Bacillus thuringiensis, am Rhein bekannt als Mittel gegen die Schnaken, ein Gift gegen die Larven des als Schädling geltenden Maiszünslers erzeugt. Darüber hinaus ist der Gentech-Mais gegen das Totalherbizid Basta resistent und enthält nur zur Erleichterung des Genmanipulationsverfahrens ein Gen für Resistenz gegen das Antibiotikum Ampicillin. Vor allem in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen wuchs auf insgesamt ca. 350 Hektar der Genmais, auf welchen Feldern wussten nicht einmal die Behörden, denn es gab keine Meldepflicht. Ähnlich war es im Jahr darauf, als der Mais außer in Deutschland nur noch in Spanien angebaut wurde. Im Jahr 2000 wurde die Genehmigung auf Eis gelegt.

Mit ein Grund dafür war die Entdeckung in den USA, dass bei Schmetterlingslarven - denen des Monarchfalters - das Fressen von Pollen von Bt-Mais Krüppelwachstum auslösen kann und z.T. tödlich ist (Cornell Universität, Professor John Losey, 1999, Bericht in "Nature"). Laboruntersuchungen in der Schweiz (Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau in Rechenholz, 1999) ergaben, dass auch nützliche Florfliegen, die mit Bt-Mais gefütterte Maiszünslerraupen fraßen, häufiger starben. Der BUND-Bundesverband hat darauf hin von der Bundesregierung ein sofortiges Verbot von Gen-Mais gefordert ("Bundesregierung riskiert Schmetterlingstod"). Die EU-Kommission reagierte zuerst und setzte alle laufenden Zulassungsverfahren für Gen-Maissorten aus.

Weitere Erkenntnisse in der letzten Zeit haben gezeigt, mit welchem Leichtsinn an der Natur manipuliert wird. Mais, der gentechnisch so verändert worden ist, dass er gegen das Pflanzenvernichtungsmittel "Round Up" des Herstellerunternehmens Monsanto resistent ist (Pflanze und Gift kommen im Paket aus einem Haus), erhöhte als Futtermittel bei Kühen den Milchfettanteil um ca 8 %. Monsanto und das in Deutschland für Prüfungen zuständige Robert-Koch-Institut versuchten, dieses unerwartete Ergebnis mit "natürlichen Schwankungen" und der geringen Größe der Versuchsgruppen zu erklären.

Ein spektakuläreres Forschungsergebnis in Großbritannien wurde auch zunächst als unseriös abgetan. Der Leiter des Forschungsvorhabens wurde auf Betreiben der Regierung gefeuert, aber später bekam er von 22 renommierten internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Recht. Es war der Fall von Arpad Pusztai, Biochemiker am Rowett-Institut in Aberdeen. Er brachte an die Öffentlichkeit (1998), dass bei Ratten, die mit genmanipulierten Kartoffeln gefüttert wurden, sich Organe krankhaft verändert hatten. Herz und Milz schrumpften, die Mägen erweiterten sich, außerdem war das Immunsystem geschwächt. Die Kartoffeln produzierten ein Insektengift, Lectin, aber daran allein lag es nicht, denn natürliches Lectin hatte im Vergleich nicht diesen Effekt. Möglicherweise war die Ursache das Virusteil, mit dem das fremde Gen ins Erbgut der Kartoffel transferiert wurde. Die meisten Gentech-Pflanzen enthalten solche Virenteile. Übrigens war die Wirkung nicht durch das Kochen der Kartoffeln zu verhindern. Pusztai sagte, es sei dringend mehr Forschung nötig, bevor genmanipuliertes Essen auf den Markt komme.

Inzwischen gibt es eine Reihe ähnlicher Forschungsergebnisse. Wissenschaftler der Universität Urbino in Italien haben 2002 festgestellt, dass bei Mäusen nach dem Füttern mit gentechnischem Soja Zellkernmerkmale der Leber verändert waren (Malatesta M. et al.; Ultrastructural Morphometrical and Immunocytochemical Analyses of Hepatocyte Nuclei from Mice Fed on Genetically Modified Soybean 2002). Der Monsanto-Konzern selbst musste vertraulich eingestehen, dass sein Gen-Mais MON863 bei Ratten eine deutlich erhöhte Zahl weißer Blutkörperchen und Lymphozyten erzeugte; außerdem ging die Bildung der roten Blutkörperchen bei den Rattenweibchen zurück, deren Blutzuckerspiegel stieg, und bei den Männchen nahmen Nierenerkrankungen deutlich zu (The EFSA Journal, Bd. 50, S. 1, 2004). Die französische staatliche Gentechnik-Kommission folgerte daraus, bei dem Gen-Mais sei ein Risiko für die tierische Gesundheit nicht auszuschließen. Dennoch erklärten Kontrollbehörden ebenso wie die Herstellerfirma, die Versuchsergebnisse seien biologisch unbedeutend und der Gen-Mais sei unbedenklich. Die EU hat ihn für den Lebensmittelmarkt frei gegeben. In Australien ist ein mehrjähriger Versuch mit gentechnisch veränderten Erbsen aus Sicherheitsbedenken abgebrochen worden. Die Erbsen lösten bei Feldmäusen eine Lungenkrankheit aus. Dabei war den Erbsen nur ein Gen verwandter und für Mäuse wie für Menschen verträglicher Bohnen eingebaut worden, das jedoch schließlich unerwartet wirkte («Journal of Agricultural and Food Chemistry», Bd. 53, S. 9023, 2005). In der EU sind Fütterungsversuche mit Genpflanzen nicht vorgeschrieben.

In mehreren Untersuchungen in Deutschland ist bestätigt, dass Erbgut-Bestandteile des Futters z.B. von Hühnern und Kühen nicht vollständig verdaut werden, sondern sich im Blut, im Muskelfleisch und in verschiedenen Organen wieder finden. Gene aus dem Futter sind auch in der Kuhmilch. Genmanipulierte Erbgut-Stücke wurden bei den Versuchen nicht entdeckt, aber das liegt offenbar daran, dass sie nur einen Bruchteil des Erbguts ausmachen und deshalb zu schwer zu messen sind.

Eine Studie des Marburger Max-Planck-Instituts für Bodenmikrobiologie an gentechnisch veränderten Kartoffeln hat gezeigt, dass der Anbau zu untypischen Veränderungen der Bodenmikroflora führt (FEMS Microbiol. Ecol. 2000, 32, S. 241-247, und 2001, 33, S. 35-39). An der Universität Jena wurde 2000 erstmals nachgewiesen, dass transgenes Erbgut von Raps auf Mikroorganismen übertragen werden kann. Die Forschungsgruppe fand es in Mikroben im Darm von Honigbienen, die Pollen von Gen-Raps gefressen hatten. ("Aktuell" 2001) Das bedeutet, dass wahrscheinlich auch die umstrittenen Antibiotika-Resistenz-Gene übertragen werden.

In Lebensmitteln durften innerhalb der Europäischen Union bis Mitte 2004 mehrere gentechnisch veränderte Pflanzensorten verarbeitet werden: Bt-Maissorten der Firmen Bayer, Monsanto, Pioneer und Syngenta; Roundup-Ready-Sojabohnen von Monsanto; Rapssorten von unter anderem der Firma Aventis; und insekten- bzw. herbizidresistente Baumwollsorten zur Ölherstellung von Monsanto. Sie werden z.T. importiert, z.T. in einzelnen EU-Staaten schon großflächig angebaut (die Baumwolle hat dafür keine Genehmigung). Das gentechnisch veränderte Bakterium Bacillus subtilis ist zur Herstellung von Vitamin B2 / Riboflavin zugelassen. Außerdem wird eine unbekannte Zahl und Menge von Gentech-Enzymen eingesetzt. Für Enzyme, in der Biotechnologie und Lebensmittelproduktion schon immer höchst wichtige Stoffe - zu denken ist an die Herstellung von Brot, Käse, Bier und Wein - , gibt es weder in der EU noch auf Bundesebene eindeutige rechtliche Regelungen. 1997 wurde in Deutschland ausnahmsweise für drei gentechnische Chymosin-Enzyme zur Herstellung von Milchprodukten eine Sicherheitsüberprüfung vorgenommen, weil sie als Lab-Ersatzstoffe unter die Käse-Verordnung fallen.

Zeitweilig war eine größere Zahl von Lebensmitteln mit Gentech-Kennzeichnung in den deutschen Geschäften erhältlich. Die Kundschaft war zurückhaltend, in vielen dieser Artikel wurden die Gen-Soja- oder Gen-Mais-Bestandteile wieder durch konventionelle Stoffe ersetzt. Das geschah auch bei der Ettlinger Firma ETO, die ihre vegetarischen Würstchen mit deklariertem Gen-Soja angeboten hatte. Mehrere Einzelhandelsketten erklärten einen generellen Verzicht auf Gentechnik wenigstens bei ihren Eigenmarken. Dazu haben sicher die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Umweltverbände beigetragen.

Der BUND hat unter anderem angeprangert, dass Unternehmen illegal gentechnisch veränderte Lebensmittelrohstoffe in den Verkehr gebracht haben. Es handelte sich um Verunreinigungen von konventionellem Mais des Saatgutherstellers Pioneer aus den USA mit in Europa nicht zugelassenen Gentech-Sorten. Das hatte 1999 die Chemische Landesuntersuchungsanstalt Freiburg aufgedeckt. Der BUND kritisierte die zuständigen staatlichen Stellen, dass sie die Vermarktung und Aussaat nicht konsequenterweise stoppten. Das wäre schon nötig gewesen, um die Bauern nicht wirtschaftlich zu gefährden, denen das Gentechnikrecht den Verkauf einer unerlaubt gentechnisch belasteten Ernte verbietet. In der Schweiz hat das Bundesamt für Landwirtschaft ein Handelsverbot und die Vernichtung des bereits ausgesäten Saatgutes angeordnet.

In Baden-Württemberg und anderen EU-Regionen wurde 2000 Gen-Raps auf normalen Rapsfeldern gefunden. Er hatte sich vermutlich beim Lieferanten in Kanada eingekreuzt. Der Bestand, es gab davon auch hier im Nordschwarzwald, wurde nach der Ernte zu Biodiesel verarbeitet, während in Frankreich und Schweden Vorsorge gegen weitere Verbreitung durch rechtzeitiges Unterpflügen getroffen wurde.

Im Jahr 1999 hatten die EU-Umweltminister einen vorläufigen Zulassungsstopp für Anbau und Vermarktung weiterer gentechnisch veränderter Organismen beschlossen. Es sollten erst neue Regelungen erarbeitet werden, die mehr Vorsorge garantieren könnten. Die Initiative wurde von Frankreich, Italien, Dänemark, Luxemburg und Griechenland getragen, während Deutschland mit einigen anderen EU-Staaten für eine weniger weitreichende Formulierung stimmte.

Das Umweltbundesamt sprach sich dafür aus (1999), auch den in Deutschland schon erlaubten Anbau von Bt-Mais zu begrenzen, mit der Begründung: Die Wirkung auf Insekten könne von der Wissenschaft noch nicht ausreichend bewertet werden. Der Mais sollte daher nicht in unmittelbarer Nähe von Naturschutzgebieten und nicht in Biosphärenreservaten angebaut werden. Der Abstand zu Naturschutzgebieten sollte mindestens 200 Meter betragen, um zu verhindern, dass insektenresistente Maispollen hinein getragen werden. Außerdem sollte der Anbau auf solche Gebiete beschränkt werden, in denen erfahrungsgemäß mit Ertragseinbußen durch den Maiszünsler zu rechnen ist. Die Marktzulassung sollte auf sieben Jahre befristet und mit der Auflage versehen werden, fehlende Daten zu erheben. Weiter erklärte das UBA, der Einsatz von Insektiziden werde durch das Bt-Gen nicht zwangsläufig überflüssig. Denn trete neben dem Maiszünsler ein weiterer Maisschädling wie beispielsweise in Baden-Württemberg die Fritfliege auf, müssten trotzdem Insektizide eingesetzt werden. Eine Gesamtbilanz aus Umweltsicht stehe hier noch aus.

Für den BUND sagte Professor Hubert Weiger, Sprecher des Arbeitskreises Landwirtschaft: "Die dreifache Genmanipulation beim Mais stellt einen Höhepunkt der Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft dar. Sie birgt große Risiken für die menschliche Gesundheit und die Agrarökosysteme. (...) Beim großflächigen Einsatz von Totalherbiziden, die außer Genmais alles pflanzliche Leben abtöten, ist eine erhebliche Verringerung der Artenvielfalt zu erwarten."

Die Bundesministerien für Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt verständigten sich dann im Februar 2000 darauf, dass gentechnisch veränderter Mais in Deutschland vorläufig nicht angebaut und vertrieben werden durfte. Allerdings wurden in diesem und den folgenden Jahren begrenzte Zulassungen für 11 neue Sorten zum Erprobungsanbau von bis zu etwa 50 Tonnen bundesweit, genug für 20 Quadratkilometer, erteilt.

Ansonsten ruhte der kommerzielle Anbau von Genpflanzen in Deutschland vorläufig. Die Lebensmittelhersteller versuchten, konventionelle Rohstoffe einzukaufen. Die Zentralgenossenschaft Raiffeisen Baden als bundesweit bedeutendes Maishandelsunternehmen vermarktet schon seit 1997 keinen gentechnisch veränderten Mais und erzielt mit gentechnikfreiem Mais bei der abnehmenden Industrie höhere Erlöse; die Erzeuger müssen sich verpflichten, im ganzen Betrieb gentechnikfrei zu produzieren, damit Verunreinigungen deutlich unter den zulässigen Werten bleiben. Das genossenschaftliche Unternehmen hat bei Raps und weiteren Produkten die gleiche Haltung und spricht sich (wahrscheinlich als einziges im bundesweiten Raiffeisen-Verband) gegen eine Koexistenz von gentechnischer mit gentechnikfreier Landwirtschaft aus. Das Raiffeisen-Kraftfutterwerk in Kehl hat 2005 seine Produktion umgestellt und verzichtet jetzt vollständig auf Rohware aus gentechnisch modifizierten Pflanzen. Es kann damit gewährleisten, dass auch sein Angebot an Soja-Produkten aus Südamerika gentechnikfrei ist.

Inzwischen werden überall in Deutschland zu Forschungs- und Entwicklungszwecken Freilandversuche mit Gen-Organismen gemacht. Von der Region Mittlerer Oberrhein aus die nächsten Freilandversuche waren diese: Das Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof in Siebeldingen bei Landau in der Pfalz testete seit 1999 unter dem Protest von Ökowinzern und Umweltverbänden gentechnisch veränderten Wein, der pilzresistent sein sollte, und verwendete dabei ein Antibiotikaresistenz-Gen; 2004 wurden die Versuche eingestellt, denn die gentechnisch veränderten Reben zeigten nicht die gewünschte erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Pilzbefall, sie verunreinigten jedoch durch Pollenflug benachbarte herkömmliche Rebstöcke. In Leingarten im Kraichgau bei Heilbronn liegen Versuchsflächen von Monsanto für herbizidtolerantem Mais und ebensolche Zuckerrüben. Ein anderer Versuch lief in Renningen zwischen Pforzheim und Stuttgart, da testete die Uni Hohenheim Gen-Mais, es gab eine Bürgerinitiative dagegen, die Pflanzung wurde einmal vorzeitig geerntet, das Feld zeitweise besetzt und der Versuch dadurch um zwei Jahre verzögert. Einen ähnlich heftigen Konflikt gab es in Buggingen bei Freiburg, mit längeren und wiederholten Feldbesetzungen.

Im Februar 2001 hat das EU-Parlament eine neue Richtlinie für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen beschlossen. Diese Richtlinie ist entscheidend für die Genehmigung von kommerziellen Gen-Pflanzen und -Tieren in der EU, für Import, Anbau und Vermarktung. Die neue Regelung ist strenger als die bisherige. Jeder gentechnisch veränderte Organismus muss künftig eine strenge Einzelfall-Prüfung durchlaufen, ehe eine Freisetzung genehmigt werden kann. Zu prüfen sind auch die langfristigen Auswirkungen dieser Organismen auf die Umwelt. Die Information der Öffentlichkeit soll besser werden, insbesondere durch genauere Kennzeichnung der Lebensmittel. Zudem werden die Genehmigungen auf zehn Jahre befristet. Seit 2005 ist außerdem die kommerzielle Nutzung von Organismen mit Antibiotika-Resistenzen verboten, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können. Die Forschung mit diesen Organismen und deren Freisetzung sind jedoch noch bis 2008 erlaubt. Die neue Freisetzungsrichtlinie sollte bis Oktober 2002 in nationales Recht überführt werden (in Deutschland als Gentechnikgesetz).

Das EU-Parlament hat am 2. Juli 2003 für die Kennzeichnung und die Rückverfolgbarkeit von gentechnischen Produktbestandteilen Verordnungen beschlossen, die seit 18.4.2004 unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedsstaaten sind. Lebens- und Futtermittel mit genveränderten Bestandteilen müssen gekennzeichnet werden, außer wenn es sich um zufällige oder technisch nicht vermeidbare Gen-Verunreinigungen bis zu einem Schwellenwert von 0,9 Prozent handelt. Eine Kennzeichnung ist auch für gentechnisch hergestellte Produkte erforderlich, die keine genveränderten Bestandteile mehr enthalten, wie hochraffinierte Öle oder Zucker aus Gentechnik-Pflanzen. Für Produkte von Tieren, die mit Gentechnik-Futtermitteln gefüttert wurden, gibt es keine Kennzeichnungspflicht. Gentechnische Bestandteile von Lebens- und Futtermitteln sind in der gesamten Produktions- und Handelskette zu dokumentieren. Der BUND hat protestiert: Der Schwellenwert von 0,9 Prozent ist zu hoch, damit wird die gentechnische Kontamination unnötigerweise hingenommen.

Die Gesetze sollten das jahrelange EU-Moratorium für die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen beenden. Am 8.9.2004 hat die EU-Kommission zum ersten Mal gentechnisch verändertes Saatgut für die europaweite Nutzung genehmigt, indem sie 17 Sorten der Mais-Linie MON810 in den EU-Sortenkatalog aufnahm. Damit kann Gen-Mais seit dem Frühjahr 2005 auch in Deutschland großflächig ausgesät werden.

Der Bundestag hat am 18. Juni 2004 das Gentechnik-Gesetz neu gefasst. Es wird als Voraussetzung dafür angesehen, dass regulär und auf breiter Front Gen-Pflanzen angebaut werden können. Das Gesetz verlangt allerdings, gentechnischen Anbau registrieren zu lassen, gentechnikfreie Felder durch Abstandsflächen und Hecken vor gentechnischer Verunreinigung zu schützen und in Schadensfällen auch kollektiv Haftung zu leisten. Die Anbauflächen werden im Standortregister über das Internet bekannt gemacht.

Es bleibt ungeklärt, wie gentechnischer Anbau betrieben werden soll, ohne dass er die gentechnikfreie und vor allem die ökologische Landwirtschaft durch Gen-Verunreinigungen in ihrer Existenz bedroht. Die Bauernverbände bezweifeln, dass mit diesen Regelungen eine friedliche Koexistenz möglich ist. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat erklärt: "Wir wollen weiterhin Lebensmittel ohne Gentechnik anbieten können, aber ohne mit den Kosten von Warenstromtrennung, Analysen und betrieblichen Kontrollen überschwemmt zu werden.“ Gentechnikfrei wirtschaftende Betriebe müssten im Schadensfall die Beweislast tragen und könnten nicht mit ausreichender Entschädigung rechnen. Bisher sieht es nicht so aus, als ob Versicherungen das Gentechnik-Risiko auch nur annähernd abdecken wollten.

Wirtschaft, Regierungen und die abhängige Wissenschaft versuchen weiter, die Bevölkerung vom Segen der Gentechnik zu überzeugen. Erfolg versprechend ist dabei, in den Schulen anzusetzen. Am Agrarwissenschaftlichen Gymnasium in Ettlingen wurde mit dem Schuljahr 2001/02 der Schwerpunkt Biotechnologie, mit gentechnologischem Lehrstoff, eingeführt. Er war schnell ausgebucht, schließlich ist von einer Schlüsseltechnologie der Zukunft die Rede und wohl kaum von einer Risikotechnologie. Es ist zu bezweifeln, dass den jungen Leuten dabei die nötige kritische Sicht der Dinge nahe gebracht wird.

Die Schulen im Land werden in den letzten Jahren von einem "BioLab" besucht, einem von der Industrie gesponsorten mobilen Labor zum Ausprobieren der Gentechnik. In Bayern hatten Staatsregierung und Konzerne zuvor schon ein "Bio-Tech-Mobil" auf die Schulhöfe geschickt, "Europas erstes rollendes Genlabor". Es sollte vor allem an Gymnasien und Fachoberschulen für die Gentechnologie werben. Schülerinnen und Schüler der Grund- und Leistungskurse Chemie und Biologie durften da einen Vormittag lang im Labor der Sicherheitsstufe eins mit Colibakterien experimentieren. Die Gegenmeinung vertrat die Jugendgruppe des Bund Naturschutz (JBN) Oberbayern, die zur Begleitung des staatlichen 30-Tonnen-Sattelschleppers einen VW-Bus älterer Bauart entsandte. Der wurde allerdings von den Schulleitungen in der Regel nicht auf ihrem Gelände geduldet.

Aufgrund freiwilliger Vereinbarungen zwischen ökologisch und konventionell wirtschaftenden Höfen haben sich inzwischen in vielen europäischen Regionen gentechnikfreie Zonen gebildet. So haben sich landwirtschaftliche Betriebe in Kraichtal-Gochsheim zusammen geschlossen. In Weingarten hat der Gemeinderat am 28. November 2005 einstimmig beschlossen, dass auf gemeindeeigenen Feldern von den Pächtern keine gentechnisch veränderten Organismen ausgebracht werden dürfen. Außerdem wird allen Landwirten im Ort empfohlen, auch auf ihren eigenen Feldern auf Gentechnik zu verzichten. Am 26. April 2005 ist in Karlsruhe die Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein gegründet worden. Dazu hat sich ein Bündnis aus Landwirten, politischen Gemeinden, Umweltverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und weiteren Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen zusammen geschlossen. Dieses Bündnis will der breiten Ablehnung gentechnisch hergestellter Lebensmittel in der Bevölkerung Ausdruck geben. Es setzt sich dafür ein, dass die Landwirtschaft, die Weiterverarbeitung von Lebensmitteln, der Handel, die Gastronomie und der Konsum in der Region gentechnikfrei bleiben.

Die Landwirte und Landwirtinnen müssen zusammen halten, damit die Felder und Naturräume nicht für alle Zeiten gentechnisch verunreinigt werden - im Bündnis mit Umweltschutz, Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus und den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dazu die stellvertretende BUND-Vorsitzende Doris Tropper: "Das Qualitätsmerkmal 'gentechnikfrei' wird bald so wertvoll sein wie nie. Denn die Mehrheit der Verbraucher will keine Gentechnik auf dem Teller. Auch große Handelsketten haben sich gegen Gen-Food ausgesprochen. Wenn die Landwirte sich, die Verbraucher und die Natur vor unkalkulierbaren Risiken schützen wollen, können sie jetzt die Initiative ergreifen und der Gentechnik eine klare Absage erteilen. Das sichert ihnen die Märkte der Zukunft."

Über die Gentechnologie muss geredet werden. Mitentscheiden und handeln können wir auch, jedenfalls beim Kauf von Lebensmitteln. Fast jedes Produkt bis hin zu Backhefe und Tiefkühlkost gibt es inzwischen aus ökologischer Herstellung ohne Gentechnik. Daneben ist die Gentechnikfrei-Kennzeichnung neu geregelt worden. Das Zeichen mit dem Schriftzug "Ohne Gentechnik" und einem weißen Blatt besagt, dass bei der Produktion grundsätzlich keine Gentechnik eingesetzt wurde.

Der Politik muss von den Bürgerinnen und Bürgern gezeigt werden, in welche Richtung sie zu gehen hat.

Kontakt für Anmerkungen, Fragen und weitere Hinweise zum Thema

Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein

Weitere Informationen:
(außerhalb unserer Seiten)
Informationsdienst Gentechnik
Aktionsbündnis Gentechnik-freie Landwirtschaft in Baden-Württemberg
Gentechnikfreie Regionen in Deutschland
Zeichen "Ohne Gentechnik" (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz)
Umweltinstitut München: Basisinfo (pdf-Datei)
Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft (AbL)
Gen-ethisches Netzwerk
Greenpeace
Genfood? Nein danke (Schrot & Korn)
Ungelöste Fragen - Uneingelöste Versprechen: Argumente aus den Kirchen (rtf-Datei)
Zivilcourage - Informationen (Bayern)
Transgen - Gentechnik bei Lebensmitteln: Datenbank (von Industrie und Ministerien)
GMO COMPASS - Gentechnik in Europa (von Industrie und Behörden, englisch)
Gentechnikanbau-Standortregister > direkt
Gentechnik, Contamination Register
bioXgen: Praxishandbuch Bio-Produkte ohne Gentechnik
Gentechnik im Tierfutter (Umweltinstitut München) (pdf-Datei)
Bienen, von Agro-Gentechnik gefährdet
Biosicherheit (Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Save our Seeds - internationale Saatgut-Kampagne
Aufruf an McDonald's: Burger ohne Gentechnik!
Agrogentechnik-Lobby in Behörden (Lexikon)
Gen-Moratorium (Foodwatch)
Blauen-Institut
GENET European NGO-Network on Genetic Engineering
Robert-Koch-Institut (Bundesgesundheitsministerium)
Katalyse-Institut für angewandte Umweltforschung (mit Umweltlexikon)

Die Gentechnikfreie Region Mittlerer Oberrhein wird gefördert durch die

Die Koordination der Gentechnikfreien Region hat vorläufig der BUND Mittlerer Oberrhein übernommen